Es liegt sicherlich an meiner abartigen Psyche. Es gibt drei Menschengruppen, die ich aus tiefster Seele verachte: Hebammen mit esoterischem Basiswissen, fanatische Religionslehrer und Radfahrer. Wobei ich hier bewusst nicht gendere, weil mein Hass geschlechtsunabhängig ist.

Das sollte doch einer aufgeschlossenen grünen Seele wie ich eine bin, erfreuen, möchte man meinen. Tut es aber nicht. Diese provokanten Energiebündel in ihren grell leuchtenden Trikots und bunten Helmen hindern mich im Straßenverkehr, ärgern mich bei Überholmanövern und machen mir obendrein ein ständig schlechtes Gewissen.

Warum? Weil mir der tägliche Blick in den Spiegel verrät, mehr für die eigene Gesundheit und Fitness zu tun. Als echtes österreichisches Kind bin ich aber wunderbar im Verdrängen und lasse mich mit einem Problem erst konfrontieren, wenn es vor mir steht. Wie vergangene Woche zum Beispiel.

Ich stand in einer Autokolonne und schob mich Meter für Meter am glühenden Asphalt vorwärts. Die Hitze, der Stau und überhaupt mein ganzes Leben bauten in mir eine Aggression auf, eine brodelnde Lavablase, die kurz vor einer gewaltigen Eruption stand. Nur ein Funke genügte.

Und diese Zündung gestaltete sich in Form einer älteren Dame (sicher über 80 Lenze jung), die sich lächelnd und erhobenen Hauptes mit ihrem Rad an den wartenden Autos vorbeischlängelte.

„Na warte, dir zeige ich es!“ blubberte die Lavablase in mir, ich überholte sie und ließ beim Schalten die dreifache Menge an Kohlendioxid auf sie niederprasseln. Bei der Ampel hatte sie mich wieder eingeholt, ohne ein Zeichen einer Anstrengung wie starkes Schwitzen oder Keuchen zu zeigen.

„Also diese Elektrofahrräder sind wirklich eine grandiose Erfindung für ältere Menschen!“ meinte ich ironisch lächelnd in ihre Richtung.

„Da haben Sie recht!“ meinte die Dame, „Das ist aber kein Elektrofahrrad, sondern meine Kondition, meine Liebe! Würde Ihnen auch nicht schaden!“ Dann fuhr sie und ließ mich auf meiner Lavablase zurück.

Seit einigen Tagen trainiere ich, so etwas lasse ich nämlich nicht auf mir sitzen. Und weil ich kein Masochist bin und ich Radfahrer bekanntlich hasse, trainiere ich still und heimlich auf meinem Ergometer.


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