Es gibt Dinge im Leben, die vermisst man erst dann, wenn es sie nicht mehr gibt. Unseren alten Briefträger zum Beispiel.
Der gute Mann ging vor einiger Zeit in seinen wohlverdienten Ruhestand
und hinterlässt ein sogenanntes „post“-traumatisches Vakuum im Dorf.

Dem neuen Postboten ist es nämlich
herzlich egal, wem, was und wie etwas zugestellt wird. Mein Briefkasten
quillt trotz mahnender Hinweisschilder am Briefkasten: „Bitte kein
Werbematerial!“ mit kiloweisen Prospekten über, es tummeln sich darin
Briefe an Herrn Gruber, an Familie Gröbner oder Postkarten aus Mallorca
oder Thailand von Menschen, die ich gar nicht kenne.

Vor einigen
Wochen machte ich den offensichtlich unter Stress stehenden jungen Mann
lautstark darauf aufmerksam, dass mich mit den Namen Gruber oder Gröbner
nur die ersten Buchstaben verbände, ein verwandtschaftliches oder gar
freundschaftliches Verhältnis daher ausgeschlossen wäre. Er solle in
Zukunft doch bitte genauer lesen und die Post ordentlich zustellen.

Er tut es natürlich nicht, weil er nicht
lesen kann oder will. So bleibt den Adressaten unseres Dorfes nichts
anderes übrig, als die Briefe, Postkarten und Pakete dorthin zu tragen,
wohin sie auch gehören. Das hat in unserem Dorf mittlerweile zu einem
regen sozialen Austausch geführt. Es braucht nun auch kein Dorfwirtshaus
mehr, um sich zu treffen. Wir tragen die fehlgeleitenden Briefe und
Pakete am Freitagabend mit einer Flasche Grünen Veltliner in der Hand
nun selbst aus. Die Dolezals treffen sich mit den Maiers, die Müllers
mit den Böhms und die Finks mit den Brunners. Mit der Familie Gröbner
verbindet mich mittlerweile eine herzliche Freundschaft, nur den Herrn
Gruber kenne ich immer noch nicht. Seine Briefe übernimmt aber Frau
Bogner, die kennt den Gruber.

Ich habe nun der Post AG vorgeschlagen,
den jungen Briefträger überhaupt einzusparen. Der kann einmal pro Woche,
am besten freitags die Pakete, Briefe und Postkarten einfach auf den
Dorfplatz schütten und jeder kann sich seine Post selbst abholen. Das
würde in Zukunft zu einem aktiveren Dorfleben beitragen und billiger
wäre es auch noch.

Wer weiß, vielleicht gewinnen wir damit sogar einen Preis beim NÖ-Dorferneuerungsverein.


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